Lange Nase

 

Bahnbetrieb war schon immer mit gewissem Lärm und zur Dampflokzeit auch mit viel Qualm und Rauch verbunden.

Besonders "allergisch" gegen Dampfloks schienen die Anwohner des Bahngeländes im Bereich des Bahnhofs Basel Bad Bf gewesen zu sein. Zahlreiche Beschwerden der Anwohner gingen z.B. zu Anfang der 50er Jahre beim Bevollmächtigten für die deutschen Strecken auf Schweizer Gebiet in Basel ein.

Sämtlichen Beschwerden wurden nachgegangen, die beteiligten Lokpersonale wurden vernommen, belehrt, teilweise für Fehlverhalten auch bestraft. Als "Störenfriede" sind in den einschlägigen Akten z.B. die Loks 42 597, 75 298, 92 302, 57 1517 der DB, sowie die C 5/6 2961, 2962 (mehrmals), 2964 und 2968 der SBB erwähnt. Als weiterer Lärm- und Schmutzverursacher wurden die Bekohlungsanlage des Bw Basel sowie der um 4.12 Uhr von Basel Bad Rbf nach Waldshut fahrende Güterzug ausgemacht.

Verschiedene Vorkommnisse beschäftigten sogar den Großen Rat des Kantons Basel Stadt sowie den Regierungsrat des Kantons Basel Stadt. Immer wieder wurde von Seiten der DB Abhilfe versprochen und auf die Elektrifizierung der Rheintalbahn hingewiesen, mit welcher dann alles "ruhiger" verlaufen sollte.

So schrieb z.B. am 16.06.1952 das Eisenbahnbetriebsamt Basel (welches zu dieser Zeit übrigens noch nach Lörrach ausgelagert war) an das Bw Haltingen:

"Die Lok 75 298 Bw Haltingen für M 90 / 411 belästigte während ihres Stillagers im Bf Basel Bad Bf um 17.15 Uhr die Anwohner des Bahnhofsgebietes durch überaus starkes Rauchen der Lok. Das Lokpersonal mußte durch den Fahrdienst Basel auf die Nichtbeachtung wiederholt erteilter An-weisung aufmerksam gemacht werden. Ich ersuche, gegen das Lokpersonal einzuschreiten."

Das Bw Haltingen antwortete am 19.06.1952 wie folgt:

"Das Lokpersonal Hugo D. und Paul M. von M 90 / 411 hat auf Grund Ihrer Feststellungen unter Nichtbeachtung des entsprechenden Befehlsbucheintrags gegen die Bestim-mungen der DV 938 § 20 Abs. 2 verstoßen. Es wird deshalb mit einer Warnung bestraft."

Auch fehlbare SBB-Lokpersonale wurden "vernommen".

Am 1.8.1952 sagte der SBB-Fahrdienst-Praktikant (Heizer) C. zu einer am 12.7.52 in Basel Bad Bf erfolgten Belästigung durch "Rauch und Lärm", durch welche sich ein Anwohner in seiner Ruhe gestört fühlte, folgendes aus:

"Ich mag mich erinnern, dass mir bei jenem Zug die -Sicherheitsventile der Lok zum Abblasen kamen. Ca. 10 Min. vor Zugsabfahrt war alles zum Abfahren bereit und der Lokführer sagte zu mir, dass ich noch einbrennen solle, da wir wahrscheinlich vorzeitig abfahren würden. Plötzlich sind aber wieder Leute ausgestiegen und zum Zoll gegangen, so dass der Zug ca. 2 Min. nach Fahrplan abgefertigt wurde. Durch dieses Missverständnis kam mir leider die Lok zum Abblasen, was ich nicht mehr verhindern konnte. Die Rauchentwicklung war absolut normal, ich vermute, dass eine Verwechslung von Rauch und Dampf von den Sicherheitsventilen vorliegt"

Ein weiterer beschuldigter SBB-Lokführer konnte sogar beweisen, daß nicht seine Lok, sondern eine neben der Lok auf dem Bahnsteig arbeitende Asphaltierrmaschine qualmte.

Als dann 1956 der durchgehende elektrische Betrieb zwischen Basel und Offenburg aufgenommen wurde und 1957 die erste V 60 als Rangierlok erschien, hoffte man, daß die Klagerei über Lärm und Qualm jetzt endlich zu Ende sei. Doch weit gefehlt.

Jetzt traten die nächsten "Beschwerdeführer" auf den Plan. Sie klagten über lärmende Elektroloks auf der Verbindungsbahn zwischen Basel Bad Bf und Basel SBB.

Am 5. Februar 1957 berichtete das Maschinenamt Freiburg an die Direktion in Karlsruhe, daß aufgrund der aufgekommenen Beschwerden über lärmende Elloks verschiedene Überprüfungen vorgenommen wurden. Dabei kam man zur Erkenntnis, daß die
E 44 aus der Betrachtung ausscheiden. Dagegen wurde festgestellt, daß bei der E 91 Heultöne aufkommen. Eine nähere Un-tersuchung hat ergeben, daß diese Heultöne vornehmlich vom Ölpumpenaggregat, dem die Lichtmaschine noch angekuppelt ist, kommt. Man bat die Direktion deshalb um Genehmigung, die Schaltung auf der E 91 so ändern zu dürfen, daß bei stillstehender Lok das Ölpumpenaggregat ausgeschaltet werden kann.

Am 14.7. 67 beschwerte sich eine Bewohnerin eines an der Verbindungsbahn gelegenen Anwesens beim Betriebsamt Basel fernmündlich darüber, daß sich ein Zug mit der Lok E 91 98 wegen eines geschlossenen Signales län-gere Zeit (9.49 bis 9.57 Uhr!) auf der Überführung Zürichstraße gehalten habe und mit dem Kompressor der Lok starken Lärm verursacht habe. Die Zurufe der Anwohnerin an den Lokführer, er solle mit der Lok keinen solchen Lärm machen, hätte dieser mit einer "langen Nase" beantwortet.

Lokführer H. wurde vernommen und gab zu Protokoll:

"Am 14.07.67 hatte ich mit der Lok E 91 98 Dienst nach Dpl 22/1. Es stimmt, daß ich mit dem Zug 9041 auf der Bahnüberführung Zürcherstraße gehalten habe. Es lief bei dem Halt nur der Kompressor. Zu der Anschuldigung, daß ich mit der Lok E 91 98 Lärm verursacht und auf einen diesbezüglichen Zuruf der beschwerdeführenden Person eine lange Nase gemacht haben soll muß ich feststellen, daß dies in keiner Weise stimmt. Ich weise diese Anschuldigung entschieden zurück. Ich bin bereit zu einer Gegenüberstellung mit der betreffenden Person."

Auch der auf der Lok mitfahrende Zugführer wurde vernommen. Auch er wies entschieden zurück, daß gegen eine Frau eine lange Nase gemacht worden sein soll.

Mit dem vorstehenden Vorfall waren das Betriebsamt Basel, das Maschinenamt Freiburg, das Bw Haltingen und der Bahnhof Basel Bad Rbf (als Dienststelle des Zugführers) beschäftigt, er umfaßt insgesamt 5 Seiten!

Die "Beschwerdeführerin" hatte übrigens bereits einige Tage zuvor den Lokführer der E 10 452, welcher ebenfalls auf besagter Überführung zum Halten kam, beschuldigt, er hätte von dieser Brücke aus "die Vorgänge in den in der Nähe gelegenen Wohnungen" beobachtet.

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