Blutiger Kopf

Beim "Wühlen" in der Akte "Säckingen" ist der EW-Redakteur auf eine weitere interessante Begebenheit gestoßen, welche wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Sie handelt von einem Fischhändler aus Wehr, der öfters mit seinen Fischen auf Reisen ging.

Am 23. Januar 1934 ging beim damaligen Reichsbahn-Betriebsamt in Basel der nachstehende Brief ein:
"Wehr, 22. Januar 1934. Bad. Betriebsinspektion Basel. Seit einem Jahr gehe ich mit meinen Forellen immer über Säckingen mit Zug 7.15 Uhr vormittag bin 9 Uhr 45 in Grenzach. Nun will ich ihnen mitteilen, daß ich schon einigemal schön anständig den Kopf angeschlagen habe und öfters geblutet habe. Die Sache ist die, wenn die Maschine gerade vor der Unterführung hält in Säckingen. Hauptsächlich kommt das vor beim Ein- und Ausladen wo ich meistens helfe, bei den Fischfässern. Den Eisenbahner-Gehilfen ist es auch schon öfters vorgekommen, und das ist auf Bahnsteig 2, also 2tes Geleise Richtung Basel. Bei der Unterführung ist eine Tafel angebracht, wo es angeschrieben steht Säckingen. Es wäre mir sehr recht, wenn die Tafel entfernt wird, solche kann ja über der Treppe an der Unterführung angebracht, leicht befestigt werden. Man kann ja leicht dem Kopf ein anständiges Loch geben, wo man seines Lebens zu tragen hat, und um das Unglück zu verhüten, schreibe ich jetzt. Es ist für beide Teile besser , an dieser Stelle, gerade wenn der Zug Verspätung hat, so ist es immer in Eile. Nun möchte ich bitten,. meine Bitte zu erfüllen. Hochachtungsvoll W.M. Fischerei, Wehr."

Das Reichsbahn-Betriebsamt Basel schickte den obigen Brief umgehend an den Bahnhof Säckingen zurück, mit der Bitte um Untersuchung und Bericht. Von der Bahnmeisterei Säckingen wurde auch eine Situations-Skizze angefordert. Diese ging dann auch bereits am 24.1.1934 beim Bahnhof Säckingen ein.

Zusammen mit dieser Skizze schickte der Bahnhof am 31.01.1934 folgenden Bericht nach Basel:
"Mehr dem Fahrdienstleiter und dem Bahnhofsarbeiter gegenüber hat sich der Beschwerdeführer ja geäußert, daß er seinen Kopf an dem neben dem Pfeiler des Bahnsteigdaches angebrachten Bahnhofsschildes angeschlagen oder sich verletzt hat. Es ist aber tatsächlich möglich, daß man an der betreffenden Stelle des Bahnsteigs 2 gerade wenn ein- und ausgeladen und der Gepäckkarrren bestiegen werden muß, daß der betr. Arbeiter, wenn er nicht vorsichtig ist, den Kopf an dem Schild anschlagen kann. Zur Beseitigung dieser Gefahr schlagen wir im Benehmen mit der Bahnmeisterei vor, den Schild an den beiden mittleren Längsträgern des Bahnsteigdaches anzubringen. Eine Skizze der Bm ist angeschlossen. Der beabsichtigte neue Ort des Schildes ist hierin rot eingezeichnet".

Das anstößige Schild "Säckingen"
(Originalzeichnung der Bahnmeisterei Säckingen vom 24. 01. 1934)

Das Betriebsamt in Basel gab sich mit der Antwort nicht zufrieden und schrieb am 6. 2.1934 wieder an die Bahnmeisterei Säckingen zurück und ordnete an, daß ein Bauwerksplan vorzulegen sei, in dem der "geglaubte neue Aufhängeplatz" einzutragen ist.

Gleichzeitig ging nachstehendes Schreiben an den Bahnhof Wehr:
"Hat der Beschwerdeführer M. sich je schon irgendwie geäußert, daß er den Kopf beim Umladen von Fischfässern im Bf Säckingen an der infrage stehenden Tafel angeschlagen hat? Wie oft gibt M. Fische in Richtung über Säckingen hinaus auf? Wie alt ist M? Von vorstehendem Schriftwechsel soll ihm vorerst nichts bekanntgegeben werden."

Die Antwort des Bahnhofs Wehr vom 10.02.1934 (übrigens versehen mit einem Stempel, den der EW-Redakteur bei seiner Dienstzeit im Bahnhof Wehr im Jahre 1967 noch benutzte) lautete wie folgt:
"Der Beschwerdeführer M. hat dem Bahnhofsarbeiter Nägele erzählt, er habe in Säckingen beim Ausladen einer Fischsendung den Kopf an einer Tafel angeschlagen, so daß er geblutet habe. Daraufhin habe er nach Basel geschrieben und die Tafel sei entfernt worden. M. gibt wöchentlich 1 bis 2 Fischsendungen nach Grenzach auf. M. wird am 24. Febr. ds. Jahres 41 Jahre alt"
.

Am Rand des Antwortschreibens hat übrigens jemand mit Bleistift vermerkt: "stimmt nicht, Tafel ist noch am alten Platz 12.2."

Auch mit dem von der Bahnmeisterei Säckingen nach Basel geschickten Bauwerksplan war man anscheinend nicht zufrieden. Er kam nach Säckingen zurück mit dem Vermerk
"Der Bauwerksplan ist zu ergänzen durch Einzeichnen des Eisenbahnfahrzeuges und des Gepäckkarrens, ferner ist ein Lageplan beizugeben, aus dem der Standort des infrage stehenden Ständers vom Bahnsteigdach zu ersehen ist".

Geduldig berichtete die Bahnmeisterei Säckingen am 15.02.34 wieder nach Basel:
"Das Eisenbahnfahrzeug und Gepäckkarren ist im Bauwerksplan eingetragen. Das (bisherige) Stationsschild ist am Querträger des letzten Ständers angebracht und ist im Lageplan blau eingezeichnet. Die künftige Anbringung des Schildes ist zwischen letztem Ständer und Dachende vorgesehen und ist im Plan rot eingetragen. An der Stirnseite des Daches kann das Schild nicht angebracht werden, da hier die Beleuchtung angebracht ist."

Endlich gab man sich in Basel zufrieden und verfügte am 17.02.1934:
"Die Änderung ist nunmehr nach Vorschlag durchzuführen. Vollzugsanzeige bis 1.3.34."
In Basel musste anschließend wegen dem Versetzen des Schildes der "Stammbauwerksplan" berichtigt werden.

Welch umständliche Vorgehensweise. Einfacher wäre es gewiss gewesen, der zuständige Sachbearbeiter in Basel hätte eine
kleine Reise nach Säckingen unternommen, und die Situation vor Ort besichtigt.

Vorteil hatte die ganze Angelegenheit für unseren Verein: Wir sind jetzt stolze Besitzer eines Planes des Bahnhofs
Säckingen aus der damaligen Zeit.

Fischhändler M. aus Wehr ist in der Akte "Säckingen" im Jahr 1939 nochmals erwähnt. Er beschwerte sich wieder einmal,
weil er wegen unerlaubten Überschreitens des schienengleichen Überganges in Säckingen gemaßregelt wurde.

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