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Pressemitteilungen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

Vierspuriger Ausbau der Rheintalbahn Karlsruhe - Basel im Abschnitt Schliengen - Efringen-Kirchen - Eimeldingen zulässig

Nachprüfungsvorbehalt für den Fall der Realisierung des „Oberrhein-Bypasses“

Das Eisenbahn-Bundesamt hat am 22.11.2002 den Plan für den Neu- und Ausbau der Eisenbahnstrecke Karlsruhe - Basel im Abschnitt Schliengen - Efringen-Kirchen - Eimeldingen festgestellt. Der etwa 17,6 km lange Streckenabschnitt soll - wie auch die übrige Strecke - von derzeit zwei auf vier Gleise ausgebaut werden. Die Neubaugleise verlaufen in dem planfestgestellten Abschnitt teils parallel zur bestehenden Rheintalbahn, teils abgerückt auf einer eigenen Trasse, davon ca. 9,4 km in einem Tunnel unter dem Katzenberg.

Nach mündlicher Verhandlung am 28. und 29. Januar in Bad Bellingen hat der 5. Senat des - in erster Instanz zuständigen - Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit sieben am heutigen Tag verkündeten Urteilen über die Klagen der Gemeinden Bad Bellingen, Efringen-Kirchen und Eimeldingen, zahlreicher betroffener Bürger dieser Gemeinden und eines Industrieunternehmens gegen diesen Planfeststellungsbeschluss entschieden. Er verpflichtete das Eisenbahnbundesamt, den Planfeststellungsbeschluss zugunsten von Wohn- und Baugrundstücken der Kläger mit einem Vorbehalt des Inhalts zu versehen, dass über ergänzende Maßnahmen des Schallschutzes und des Erschütterungsschutzes für den Fall einer Realisierung des sog. Oberrhein-Bypass neu zu entscheiden ist (Verlagerung des Transitgüterverkehrs zwischen Frankreich und der Schweiz auf den planfestgestellten Streckenabschnitt). Im Übrigen wurden die auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Klagen abgewiesen. Der Bau der Eisenbahnstrecke ist danach zulässig.

Ein wesentlicher Streitpunkt der Klageverfahren war die Frage, welche Zugbelastung den Untersuchungen zu Beeinträchtigungen durch Lärm und Erschütterungen zugrunde zu legen ist (Immissionsprognose). Der Senat ist der Auffassung, dass das der luftschalltechnischen und der erschütterungstechnischen Untersuchung zugrunde gelegte Betriebsprogramm der Bahn im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses die einzig hinreichend sicher zu prognostizierende Zugbelastung gewesen sei. Die höheren Zugzahlen des Bundesverkehrswegeplanes 2003 hätten mit der für eine Immissionsprognose erforderlichen Verlässlichkeit erst Mitte des Jahres 2003 mit dem entsprechenden Beschluss der Bundesregierung über den Bundesverkehrswegeplan 2003 vorgelegen; sie hätten daher dem mit Datum vom 22.11.2002 ergangenen Planfeststellungsbeschluss nicht zugrunde gelegt werden können. Für die Verlagerung des Transitgüterverkehrs von Frankreich in die Schweiz auf den planfestgestellten Streckenabschnitt über einen sog. Oberrhein-Bypass habe es im maßgebenden Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nach dem Schlussbericht von DB, SBB und SNCF für die „Strategische Gesamtplanung Basel, Verkehrsführung im Raum Basel“ vom Juni 2002 ebenfalls noch keine für eine Immissionsprognose verlässlichen Zugzahlen gegeben. Allerdings hätten bereits hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Transitgüterverkehr zwischen Straßburg und Basel auf die rechtsrheinische Seite verlagert werden solle. Daher sei das Eisenbahn-Bundesamt verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss mit dem Vorbehalt zu versehen, dass über ergänzende Maßnahmen des Lärm- und Erschütterungsschutzes im Falle der Realisierung des Oberrhein-Bypasses neu zu entscheiden ist. Dies gelte im Bereich Bad Bellingen sowohl zugunsten der privaten Kläger wie auch der Gemeinde, die Eigentümer von Wohngrundstücken bzw. des Grundschul- und Kindergartengrundstücks oberhalb des Katzenbergtunnels seien. Der Nachprüfungs- und Entscheidungsvorbehalt für den Fall der Realisierung des Oberrhein-Bypasses gelte ferner für die oberhalb des Südportals des Katzenbergtunnels auf Gemarkung Efringen-Kirchen ansässigen Kläger und für die oberirdische Strecke parallel zur Rheintalbahn auf Gemarkung Eimeldingen sowohl zum Schutz der in der Ortslage wohnenden Kläger wie auch für die Gemeinde wegen des Gewerbegebiets „Reutacker II“.

Auf der Grundlage der zugrunde gelegten Prognose der künftigen Zugbelastung werde ausreichend Schutz vor Lärm und Erschütterung gewährt. Die aktiven Schutzmaßnahmen gegen Erschütterungen (Einbau eines sog. Masse-Feder-Systems in einem Abschnitt des Katzenbergtunnels im Bereich von Bad Bellingen sowie in der Ortslage von Eimeldingen) einschließlich der in diesem Zusammenhang angeordneten Beweissicherungsverfahren und Nachprüfungsvorbehalte ließen eine Reduzierung der Belastung auf ein zumutbares Maß erwarten. Auch die vorgesehenen aktiven Lärmschutzmaßnahmen (drei Lärmschutzwände mit 1700 m, 1400 m und 1200 m Länge mit einer Höhe von jeweils 4 m) in der Ortslage von Eimeldingen, der hier zusätzlich gewährte passive Lärmschutz zur Einhaltung der Nachtgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung für Wohngebiete oder Mischgebiete sowie die zugebilligten Entschädigungsansprüche für die betroffenen Außenwohnbereiche bei Überschreitung der Taggrenzwerte seien insgesamt als Lärmschutzkonzept nicht zu beanstanden.

Speziell zu den auf die Gemarkung Eimeldingen bezogenen Klagen führt der Senat weiter aus: Die geforderte Tieferlegung von Neubaustrecke und Rheintalbahn um ca. 2 m in der Ortslage von Eimeldingen sei nicht geboten. Hinsichtlich des Erschütterungsschutzes sei eine solche Tieferlegung nicht geboten, wie die Erläuterung des Gutachters in der Verhandlung erbracht habe. Unter dem Aspekt des Lärmschutzes ergäben sich keine Vorteile gegenüber den planfestgestellten drei Lärmschutzwänden östlich der Neubaustrecke, zwischen Neubaustrecke und Rheintalbahn sowie westlich der Rheintalbahn mit einer Höhe von jeweils 4 m. Aufgrund dieser Maßnahmen werde die derzeit hohe Lärmbelastung durch die bislang ohne Lärmschutzmaßnahmen durch die Ortslage verlaufende Rheintalbahn sogar deutlich verringert. Dass die raumordnerische Beurteilung aus dem Jahre 1989 eine Tieferlegung für den damals nur dreigleisig geplanten Ausbau vorgesehen habe, gebe der Gemeinde Eimeldingen und den betroffenen Bürgern kein Recht, die Tieferlegung aus Gründen des Vertrauensschutzes nunmehr einzufordern. Abgesehen davon würde eine aufgrund verschiedener Umstände nur beschränkt mögliche Tieferlegung die - vom Senat nicht als gering eingeschätzte - Zerschneidungswirkung und Beeinträchtigung der Sichtbeziehungen infolge der 4 m hohen Lärmschutzwände allenfalls abmildern, aber nicht vollständig vermeiden. Denn nur in einem Teilbereich der Ortslage könnte die Wandhöhe reduziert werden, wolle man nicht Einbußen beim Lärmschutz hinnehmen. Auch mit Rücksicht auf ihr Recht zur Ortsbildgestaltung könne die Gemeinde eine Tieferlegung von Neubaustrecke und Rheintalbahn, die Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe zur Folge hätte, nicht verlangen.

Speziell zu den auf die Errichtung des Katzenbergtunnels bezogenen Klagen nimmt der Senat wie folgt näher Stellung: Die von den Klägern der Gemarkung Bad Bellingen geforderte Verschiebung des Katzenbergtunnels nach Osten zur Vermeidung einer Unterfahrung des rutschgefährdeten Hanggebiets habe das Eisenbahn-Bundesamt ablehnen dürfen; es werde zum einen auf besonders schonenden Vortrieb in diesem Bereich geachtet und ein Erschütterungsschutzsystem eingebaut. Zum anderen müsse bei einer Verschiebung der „Schliengener Weinberg“ angeschnitten werden, der sich in einem instabilen Grenzgleichgewicht befinde. Dies mache kostspielige Stützkonstruktionen erforderlich. Auf Gemarkung Efringen-Kirchen verletze die angefochtene Planung ebenfalls keine Rechte der dortigen Kläger. Der Planfeststellungsbeschluss habe die Tunnelbauweise offen lassen dürfen. Er habe sich nicht auf einen Vortrieb mittels Tunnelbohrmaschine anstelle von Sprengungen nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise festlegen müssen. Ebensowenig habe für den Abtransport des Tunnelausbruchmaterials in den Steinbruch „Kapf“ eine Förderbandlösung (anstelle des Einsatzes von Lastkraftwagen auf dem öffentlichen Straßennetz) vorgeschrieben werden müssen. Was die Einbringung des Tunnelaushubmaterials in den Steinbruch „Kapf“ angehe, habe die Planfeststellungsbehörde von einer einvernehmlichen Lösung zwischen der Gemeinde, dem Betreiber des Steinbruchs und der Bahn, die schon weit gediehen sei, ausgehen dürfen. Für den Fall des Scheiterns einer einvernehmlichen Regelung sei ein ergänzendes Verfahren zur Regelung der Einlagerungsbedingungen vorbehalten. Dies sei nicht zu beanstanden. Die Prüfung eventueller Beeinträchtigungen des Steinbruchbetriebs habe dem vorbehaltenen Verfahren überantwortet werden dürfen. Die Gemeinde Efringen-Kirchen könne zur Absicherung der Planung für das Gewerbegebiet „Schlöttle“ weder eine Verdeckelung der Neubaustrecke im Anschluss an das Südportal des Katzenbergtunnels noch die Verschwenkung der B 3 nach Norden beanspruchen. Des weiteren bleibe die Beanstandung des Rettungskonzepts ohne Erfolg. Der Querstollenabstand im Katzenbergtunnel sei von 1000 m auf 500 m verkürzt worden; eine weitergehende Verringerung des Abstandes könne die Gemeinde auch als Trägerin der örtlichen Feuerwehr nicht verlangen. Die beigeladene Bahn sei gesetzlich verpflichtet, an Maßnahmen des Brandschutzes und der Technischen Hilfeleistung mitzuwirken Für die stärkere Belastung der Gemeinde in personeller und in sachlicher Hinsicht sei ein finanzieller Ausgleich gewährleistet; dies sei zudem kein Regelungsgegenstand in der Planfeststellung.

Schließlich sei auch die an der B 3 gegenüber der Zufahrt zum „Kapf“ gelegene Gast- und Gartenwirtschaft „Engemühle“ während der Bauzeit durch den Transport des Tunnelaushubmaterials mittels Lastkraftwagen keinen unzumutbaren Immissionsbelastungen durch Lärm, Abgase oder Erschütterungen ausgesetzt; ein Sichtschutz könne nicht verlangt werden.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht ist vom Senat in keinem der Verfahren zugelassen worden; hiergegen können die Beteiligten innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des schriftlichen Urteils Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht einlegen (Az.: 5 S 384/03, 5 S 385/03, 5 S 386/03, 5 S 387/03, 5 S 397/03, 5 S 402/03, 5 S 408/03). Mit vier Beschlüssen vom 10. 02. 2004 hat der 5. Senat außerdem die Anträge derjenigen Kläger, die vorläufigen Rechtsschutzes begehrt haben, abgelehnt (AZ: 5 S 388/02, 5 S 398/02, 5 S 409/02 und 5 S 421/02). Damit ist gerichtlich bestätigt, dass der Bau der Eisenbahnstrecke zulässig ist.

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